Deutschland - Land der Dichter und Autorenvernichter
Ein Regisseur, der jahrelang erfolgreich Filme in den Vereinigten Staaten gedreht hat, aber in Deutschland beheimatet ist, steht doch immer noch in einem Bezug zum schrecklichsten Erbe deutscher Geschichte, den Verbrechen des Nationalsozialismus.
Bücherverbrennungen hatten ihre Höhepunkte in den Zeiten der Inquisition der römisch-katholischen Kirche und wurden von den Nazis als Instrument der Einschüchterung von Autoren, Studenten und Wissenschaftlern in der NS Zeit wieder aufgegriffen.
Zur Denunziation von Autoren gehörte auch die Aberkennung von Doktortiteln, wie u.a. in der Biografie des Schriftstellers Stefan Zweig nachzulesen ist, der sich dann später im Exil in Brasilien das Leben nahm.
Die römisch-katholische Kirche beließ es aber bekanntermaßen auch nicht bei ihren Bücherverbrennungen, sondern wie mit Giordano Bruno, dem auf dem Scheiterhaufen noch die Zunge festgebunden worden sein soll, damit er nicht zum Volk sprechen konnte, verbrannte sie auch Autoren, zur Einschüchterung des freien Denkens.
Die Nazis ermordeten unzählige Autoren auf bestialische Weise in ihren KZs, nachdem sie zuvor deren Reputation öffentlich durch Verleumdungen beschädigt hatten.
Erich Mühsam, als einer der bekanntesten von ihnen, sei hier stellvertretend für die zahlreichen anderen genannt.
Was könnte also einen weltweit erfolgreichen deutschen Regisseur dazu bewegen, für Dreharbeiten an einem Film über William Shakespeare nach Deutschland zurückzukehren, um mit einer wissenschaftlich irrelevanten Behauptung diese britische Ikone der dramatischen Literatur, den Autor William Shakespeare, vor der Weltöffentlichkeit zu denunzieren?
„Wir vernichten, was wir lieben.“ Christa Wolf
Dem Schaffensprozess von Regisseuren liegt oftmals eine agonale Beziehung gegenüber den Autoren ihrer Inszenierungen zugrunde, denn die Angst besteht gegebenenfalls, dem Werk des Autors mit der eigenen Inszenierung nicht gerecht zu werden. Also selbst im öffentlichen Wettstreit mit dem Autor vor den Augen der Öffentlichkeit zu scheitern.
Besonders dann, wenn der Autor solch ein literarischer Übervater ist wie William Shakespeare.
Was liegt für einen Regisseur also näher, als diesen Übervater einfach vorab öffentlich per pseudowissenschaftlicher Behauptung hinzurichten, um sich anschließend befreit vom Ballast der Ikone als genialer Inszenator feiern zu lassen, der sich nun auch noch hemmungslos und durch seinen Tötungsakt frei vom kritischen Vergleich und ohne Einschränkungen an den genial geschriebenen Bühnenfiguren des Autors bedienen darf?
Nichts anderes geschieht in „Anonymous“ von Lothar Emmerich.
„…von dieser Agonalität, die das soziale Magma produktiver Vergemeinschaftung ausmacht, ist eine Agonalität zu unterscheiden, die prinzipiell negativ bzw. dem Bedeutungsinhalt des bösenStreits folgt. Eine solche Agonalität wird in dem Buch von C. Schmitt „Der Begriff des Politischen“ unter der berühmten Formel des Feind-Freund-Schemas ausgedrückt.
Hierbei geht es nicht um Konkurrenz oder Wettstreit im Politischen, sondern um eine grundsätzliche Abgrenzung des Antagonisten vom Feind im politischen Raum. Der Antagonist gehört zum agonalen Wettstreit, während der Feind zum Krieg gehört, bei dem es um Leben und Tod geht. …“(aus Thomas Jung: „Die Seinsgebundenheit des Denkens“ Karl Mannheim und die Grundlegung einer Denksoziologie)
Es lohnt sich, den Motiven auf den Grund zu gehen, aus denen heraus ein Sensationsregisseur wie Roland Emmerich, angeblich im Namen kritischer Filmkunst, mit seinen blonden Heldendarstellern unseren britischen Nachbarn auf die Nerven gehen möchte.
Was wir jedoch in Zukunft daraus nicht erwarten dürfen ist, dass unsere britischen Freunde und Feingeister versuchen werden, Emmerichs privaten deutschen Revanchismus mit ähnlicher Dämlichkeit von „Autorenvernichtung“ zu erwidern.
Denn Vernichtung ist weder Wettstreit noch Fairplay!
Copyright 2011, Volker Lüdecke